12. Juli 2019

Verehrte Damen und Herren,
ich begrüße Sie zum Epilog der Vorlesung!
1. Die Parabel von der selbstwachsenden Saat (Mk 4,26-29)
Ich bin der Überzeugung, dass man das Extravaganzkonzept, welches Harnisch auf große Erzählungen beschränkte wie die Arbeiter im Weinberg, den barmherzigen Samaritaner, den Schalksknecht u. a. m., auch auf kleinere Parabeln anwenden kann, die als rhetorische Gattung der παραβολαί beachtliche Verbreitung besitzen. Wir sehen uns heute exemplarisch die Parabel von der „selbst wachsenden Saat“ in Mk 4,26-29 an. (more…)
15. Juni 2019
Meine Damen und Herren,
ich begrüße Sie zur achten Vorlesung über die Einführung in die Hermeneutik des Neuen Testaments. Gibt es noch Rückfragen zu Bildlichkeit und Extravaganz?
1. Hinführung: das Problemgeschichtenmodell
2. Paulus Markus Johannes
3. Das Abendmahl im Horizont der Problemgeschichte
1. Hinführung: das Problemgeschichtenmodell
Es geht im Christentum um Erlösung, was in den drei „ethischen“ Religionen nach Schleiermacher, aber auch in den Hindu-Religionen und selbstverständlich auch in den Varianten der buddhistischen Religion der Fall ist.
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17. Mai 2019


Streik katholischer Frauen vor Maria mit angedeuteter Vulva
VORSPRUCH
Zu Schleiermacher können Sie den verlinkten Text lesen. Zu Bultmann können wir noch die Abbildungen ab hier erörtern, den Bezug auf Hans Jonas, Prinzip Verantwortung, Mythos-Problem, ebenso Extravaganz, welche das Objektivierungs-Problem zu unterlaufen versucht.
1 Einführung
Die theologische Bearbeitung der Benachteiligung der Frauen begann protestantisch bei Luther, der erkannte, dass es nicht schlüssig sei, die Frauen von der Predigttätigkeit auszuschließen, allein ihre Stimme sei zu schwach, sodass sie nur dann zum Zuge kämen, wenn kein Mann predigen könne. Schleiermacher sah in seiner Pädagogik-Vorlesung seit 1814 vor, dass die Mädchen zur Schule gehen müssten, nur durch Bildung würden die Frauen an allen Aspekten des organisierenden und bezeichnenden Handelns partizipieren können. In Deutschland zeigten sich erste Erfolge in der Weimarer Republik, im Wissenschaftssystem zuvor schon in der Schweiz. Intellektuelle Frauen sind Rosa Luxemburg und Hannah Arendt, letztere eine Schülerin Rudolf Bultmanns. Die Position in den frühen 1970er Jahren, Bibel und Christentum seien dominant patriarchal geprägt, spirituelle Frauen müssten sich an Göttinnen orientieren, ließen in den 1980er Jahren nach. In den 1990er Jahren setzte sich bei manchen Feministinnen die Einsicht durch, dass ihre Ziele wohl nur gemeinsam mit Männern durchsetzbar wären. Die Frauen sind heute genauso gut oder besser gebildet wie bzw. als Männer, daher steht ihnen kirchlich alles offen. (more…)
10. Mai 2019


Verehrte Damen und Herren,
ich begrüße Sie zur zweiten Vorlesung über die Hermeneutik des Neuen Testaments in der Moderne, die anhand des Ansatzes von Rudolf Bultmann wichtige Aspekte der künftigen Vorgehensweise skizziert.
In der Schleiermacher-Vorlesung kam es zu Rückfragen oder auch Einwänden bezüglich des Wesens des Christentums im Blick auf aktuelle Erscheinungen wie Protestantismuskritik oder auch Zugehörigkeitsbehauptungen der AfD, was man/frau sich etwa an Beatrix von Storch oder Alexander Gauland, dessen Tochter Pfarrerin der EKHN ist, klarmachen kann. Es ist zu betonen, dass das alles fair und auf dem Weg des διαλέγεσθαι (dialégesthai) geschehen muss, mit NT und philosophischer Theologie als normativem Interpretant unter Einbezug der Kirchengeschichte seit dem letzten Drittel des 19. Jhdts, wobei es in der Weimarer Republik heftigen Widerstand gegen den Art. 137 WRV gab, der Trennung von Kirche und Staat, dazu religiös-weltanschaulichen Pluralismus verfügte und über Art. 140 GG auch für die Bundesrepublik gilt. Anhand des Problems des Fremdenhasses dürfte der Schleiermachersche Bezug auf NT, auch die Bibel insgesamt einleuchten. Trotzdem bleibt das aktuelle Problem der Auseinandersetzung bestehen. Bestimmte thematisierte Sachverhalte sind m. E. strafrechtlich relevant, aber m. E. ist es bezogen auf die Jesustradition angemessen, das Gespräch zu suchen, was offensichtlich anstrengend ist – und manchem* als aussichtslos erscheint.
Eine weitere Rückfrage galt meiner Verteidigung von Schleiermachers Modell gegen „Dogmatik als Stück der Praktischen Theologie“ (Wilhelm Gräb), weil dann NT und philosophische Theologie nicht mehr als normativer Interpretant fungieren. Das Christentum hat m. E. nicht erst mit der Aufklärung begonnen.
Gibt es weitere Rückfragen zur letzten Vorlesung?
Ich beziehe mich heute auf folgende Werke und Aufsätze häufig, die ich dann im Text nur mit Namen und Jahreszahl zitiere:
Bultmann 1951; Bultmann 1952; Bultmann 1967; Bultmann 1984; Dewey 1934; Dewey 2008; Dittmer 2001; ; Linde 2013; Pöttner 1995.
Ich beginne mit einer Einführung (1.), wende mich sodann dem Entmythologisierungsprogramm bzw. der existenzialen Interpretation (2.) zu und erörtere schließlich mögliche Fortschreibungen von Bultmanns Position (3.).
1 Einführung
Rudolf Bultmann ist wie Schleiermacher ein außergewöhnlicher Theologe, der weltoffen lebte und dachte. Vgl. Sie den Überblick im (https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Bultmann ) Wikipedia-Artikel, wo auch wichtige Literaturangaben zu finden sind. Sowohl in seiner Schule und noch stärker bei seinen Gegnern herrscht aber eine Lektüre vor dem Hintergrund von Übervereinfachungen vor, die sichtbar macht, dass im evangelischen Diskurs zu wenig Übung in wissenschaftstheoretischen und philosophischen Fragestellungen besteht. In beiden Disziplinen war Bultmann aber gut – und daher wird er m. E. auch heute noch in manchen Aspekten falsch interpretiert und/oder auch falsch bewertet. Die durchschnittlichen Fehler finden sich auch im Wikipedia-Artikel. (more…)
13. April 2019

§ 1: Hinführung zum Problem
Verehrte Damen und Herren,
ich begrüße Sie in dieser Vorlesung zu einer Einführung in die Hermeneutik des Neuen Neuen Testaments!
Inhalt
1 Proömium
2 Überblick
3 Das Problem, das hinter der Hermeneutik steht: die Fremdheit der Zeichenverwendung anderer Menschen
4 Allgemeine und spezielle Hermeneutik?
Wie Sie am Inhaltsverzeichnis sehen können, hat die heutige Vorlesung vier Abschnitte. Zunächst erläutere ich im Proömium bzw. der Vorrede skizzenhaft dasjenige, was ich vorhabe. Sodann gebe ich einen Überblick über den geplanten Inhalt und bestimmte formale Aspekte dieser Vorlesung. Weiter versuche ich einen Anschlusspunkt für das hermeneutische Problem im Neuen Testament selbst zu finden, da in 1Kor 14 m. E. das zentrale Problem der Fremdheit explizit erwähnt und mit der Methode der Übersetzung angegangen wird.
Der letzte Abschnitt thematisiert das Problem der allgemeinen und der speziellen Hermeneutik, wie es auch in Schleiermachers Hermeneutik und Kritik, 1977 (stw 211) formuliert wird. (more…)
23. Februar 2019
Abschnitt der Vorlesung und §:
I. Proemium und historische Exposition des Problems
1: Hinführung zum Problem (15.04)
Ostern
2: Die Entstehung der Schriftreligion im Judentum und ihre Bedeutung für das hermeneutische Problem (29.04.)
II. Moderne
3: Das Modell Friedrich Schleiermachers in der „Kurzen Darstellung“: „exegetische Theologie“ und Hermeneutik als Kunstlehre (06.05)
4: Das Problem der im Alltag präsenten experimentellen Methode in den Naturwissenschaften und die Entmythologisierung: Rudolf Bultmann (13.05.)
5: Die Notwendigkeit, die Geschlechterfrage zu berücksichtigen (Magdalene F. Frettlöh) (20.05.)
III. Vorschlag: Bildlichkeit und Narrativität berücksichtigen
6: Die Frage der Bildlichkeit religiöser Rede und Zeichenkomplexe (27.05.)
7: Die (mögliche) Extravaganz religiöser Bilder, Charles Peirce u. a. (03.06.)
Pfingsten
8: Problemgeschichten: Markus, Paulus und Johannes (17.06.)
9: Dualistische Erzählweisen: Matthäus, Hebräerbrief und Apokalypse des Johannes – sowie „Verschwörungsmythen“ ([Michael Blume] 24.06.)
10: Erfolgsgeschichten: Lukanisches Doppelwerk, Herausgeber der „Präkanonischen Edition“ (01.07.)
11: Die Bergpredigt (08.07.)
12: Extravaganz in Parabeln Jesu (παραβολαί [parabolai]) (15.07.)
IV. Epilog
13: Abschlussdiskussion (22.07.)
Die Vorlesung präsentiert mithin hermeneutische Modelle – und führt in ihren Vollzug ein, sodass Sie sich orientieren können. Das habe ich in Marburg und Zürich so gelernt, Hermeneutik ist praktisch und konkret. In Marburg durch den Geist Ernst Fuchs’, der durch Wolfgang Harnisch und Gerd Schunack präsent war, vor allem aber durch Fuchs’ bedeutenden Versuch, der „Marburger Hermeneutik“. In Zürich durch Hans Weder, der ebenfalls durch Fuchs und dessen Schüler Eberhard Jüngel beeinflusst war. Dadurch werden Modelle stets an Texten erprobt – und Sie können einen eigenen Eindruck gewinnen, was diese zu leisten vermögen. Nebenbei thematisiert diese Vorlesung daher das gesamte Neue Testament.
Ich beschränke die detailliert erörterten modernen Positionen exemplarisch auf diejenigen Friedrich Schleiermachers, Rudolf Bultmanns und der feministischen Position Magdalene Frettlöhs. M. E. sind damit alle Probleme zu bearbeiten. Ich unterstelle mithin, dass die Rede von Post- oder Spätmoderne wenig sachhaltig ist.
Zwei Punkte sind für die Vorlesung wichtig:
1. M. E. ist „Religion“ nicht unvernünftig. Daher erörterte ich explizit Fragen der dualistischen Erzählmuster, die häufig mit Kontradiktionen und logischen Widersprüchen arbeiten. Allgemein gehört zur Vernunft, dass wir uns narrativ selbst verständigen. Und wir dürfen das auch bildlich tun.
2. Für das Christentum gilt, dass unterstellt wird, wir stünden ständig in der Gefahr, uns religiös zu verfehlen, mithin zu sündigen o. Ä. Daher vertreten viele neutestamentliche Texte wie im Judentum die Idee einer Lebenswende, denken Sie exemplarisch an die Parabel von den „verlorenen Söhnen“ in Lk 15. M. E. reagieren einige Texte im Neuen Testament darauf – und bilden „extravagante Muster“ aus, alltäglich Gewohntes wird zitiert, verfremdet und poetisch-rhetorisch weitergeführt.
Allgemein gilt, dass z. B. gemessen an Aristoteles Gefühle, Leidenschaften, Argumentationen, Erzählungen u. a. m. für Menschen typisch sind. Wir versuchen in der Vorlesung hermeneutisch zu erarbeiten, wo die Grenze „vernünftig“/ „unvernüntig“ gezogen werden kann bzw. wo das erforderlich sein könnte.
20. Juni 2018

Diskussionsbedarf vom letzten Dienstag
Um das Extravaganzmodell von Peirce zu veranschaulichen, habe ich auf folgenden Sachverhalt hingewiesen:
Es gibt in der Bibel weder eine griechische, hebräische oder aramäische Vokabel für z. B. „Auferstehung“ o. Ä. קוֻם (kum), ἀνίσταναι (anhistanai) und ἐγείρεσθαι (egeiresthai) bezeichnen sowohl den alltäglichen Vorgang des Aufstehens bzw. Aufgewecktwerdens als auch denjenigen, welcher dem Tod folgt. Die gleiche Ambiguität liegt beim „Schlafen“ (κοιμᾶν [koiman]) vor, vgl. z. B. Dan 12,2f. Zurzeit respektieren offenbar nur einige wenige der Übersetzer/innen der „Bibel in gerechter Sprache“ diesen biblischen Sachverhalt.
Neue Naturphilosophie bei Whitehead
Den umfassenden Anspruch Whiteheads zeigt diese Äußerung:
[…] es muss eines der Motive einer vollständigen Kosmologie sein, ein Schema von Ideen zu entwerfen, in dem die ästhetischen, moralischen und religiösen Interessen mit jenen Begriffen von der Welt in Verbindung gebracht werden, die ihren Ursprung in der Naturwissenschaft haben. (Prozess und Realität, 22)
Es geht nach dieser Äußerung daher darum, den Naturbegriff bzw. das Naturverständnis so zu erweitern, um Elemente des „Geistes“ bzw. der Kultur einbeziehen zu können. Damit folgt auch Whitehead dem Amerikanischen Transzendentalisten Emerson, der in seinem Essay „Nature“ dieses Programm – romantisch inspiriert – poetisch angedeutet hatte.
Ich versuche, Whitehead vor allem vor diesem pragmatistischen Hintergrund zu erläutern. Es gibt Versuche, das Modell im Kontext der Systemtheorien zu beschreiben, was mir wie Hampe, Whitehead, nicht recht einleuchtet. (more…)
13. Juni 2018

Das Programm im Sommer: Peirce und Whitehead
Der Philosophiebeitrag knüpft an die Erwägungen im letzten Herbst an, die das us-amerikanische System von der Unabhängigkeitserklärung her erklären und mit dem deutschen System nach Art. 137 WRV vergleichen bzw. profilieren wollten. In den beiden philosophischen Beiträgen in diesem Semester besprechen wir Charles Peirce und Alfred North Whitehead, beides Philosophen, die das Potenzial der us-amerikanischen Entwicklung deutlich machen können. Beide Philosophen akzeptieren die experimentelle Methode in den Naturwissenschaften, sind aber auch den Kulturwissenschaften gegenüber offen. Diese Offenheit hängt u. a. damit zusammen, dass in der zweiten Hälfte des 19. Jhdts. innerhalb der Mathematik Entwicklungen wie die Mengenlehre, die Wahrscheinlichkeitsmathematik und die Theorie der Relationen entstanden. Dadurch wurde philosophisch manches neu denkbar. Beide knüpften an prozessuale Vorstellungen an, die im 19. Jhdt. bei Schleiermacher, Schelling und Hegel entwickelt worden waren.
Ein Aspekt der Kultur ist außer den Wissenschaften für beide Philosophen wesentlich, der Aspekt der Religion. Und daher liegt in beiden Entwürfen auch eine prozessphilosophische Gotteslehre vor. Beide Philosophen sind Pragmatisten, d. h., sie unterstellen, dass wir handelnd auf die Wirklichkeit zugreifen – und dass dieser Zugriff der Wirklichkeit nicht äußerlich ist. Wir klären die genaue Bedeutung von „Pragmatismus“ sofort bei Peirce. (more…)
23. Juli 2016
1. Mk 4,26ff
2. Thesen
3. Diskussion
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Die Parabel von der selbstwachsenden Saat (Mk 4,26-29)
Ich bin der Überzeugung, dass man das Extravaganzkonzept auf viele „Parabeln“ anwenden kann. Harnisch[1]beschränkte es auf große Erzählungen wie die Arbeiter im Weinberg, den barmherzigen Samaritaner, den Schalksknecht u. a. m.
Wir sehen uns heute exemplarisch die Parabel von der „selbst wachsenden Saat“ in Mk 4,26-29 an. Mk erläutert in Kap. 4 für das Markusevangelium, worum es bei der Gottesherrschaft bzw. dem Reich Gottes geht – und welche Rezeptionsprobleme es gibt, schließlich können die Schüler nach diesen ganzen parabolischen Belehrungen den Sturm nicht stillen – und Jesus muss es tun. (more…)
19. Juni 2016

Charles Sanders Peirce (1839-1914)
Verehrte Damen und Herren,
ich begrüße Sie zur siebten Vorlesung. Gibt es noch Rückfragen zur letzten Vorlesung?
- Das Problem der Extravaganz
- Die Rede vom „Aufstehen des Menschensohns“ im Kontext von Mk 16,1-8: eine narrative Leerstelle als Raum für die Darstellung des Vertrauens auf das Evangelium
1. Das Problem der Extravaganz
Zunächst argumentiere ich für einen an Schleiermacher orientierten Hintergrund – und gehe dann auf den verwandten Ansatz von Charles Peirce ein, der dann m. E. einen plausiblen Vorschlag macht, wie doch einige religiöse Zeichenkomplexe zu verstehen sind. Es geht also hermeneutisch um ein Problem der Fremdheit der Zeichen. (more…)