Einführung in die exegetischen Methoden: Die Urgeschichte
Protokollantin: Lena Hauner
In der dritten Sitzung wurde Genesis 2 V. 4b bis Gen. 3 V. 24 behandelt.
Zu Beginn wurde noch eine Frage aus der letzten Woche geklärt, nämlich welcher Typ Gott ist. Wer macht außerhalb der Schöpfungserzählung nur etwas durch Sprache und bringt dadurch etwas hervor? -> Dichter
Man kann sich die Schöpfung wie eine Art 3D-Drucker vorstellen. Gott hat bestimmte Ideen, welche er nur durch die Macht der Worte in Materialität umsetzt.
Im Anschluss befassten wir uns mit Genesis 2.4b bis 3.24.
Als erstes fiel auf, dass in dieser Erzählung nicht nur durch Worte geschaffen wurde, sondern Gott formte den Lehm und Staub mit seinen Händen und hauchte dem Menschen den Lebensodem ein. Zu Beginn war der Mensch noch alleine und Gott formte, während der Mensch schlief, eine Partnerin aus einer menschlichen Rippe. Allerdings kann hier ein möglicher Übersetzungsfehler Luthers vorliegen. Es ist wahrscheinlicher, dass Eva nicht aus der Rippe von Adam geschaffen wurde, sondern aus einer Seite beziehungsweise Hälfte Adams.
Gott sah also zum ersten Mal, dass etwas an seiner Schöpfung nicht gut war. Als der Mensch noch keine Partnerin hatte, bekam er zuerst Tiere, die ihm in einer Partnerstruktur helfen sollten, dies hat allerdings nicht funktioniert.
Doch warum entsprechen die Tiere nicht Adam?
Die wesentlichen Unterschiede bestehen darin, dass Adam die Tiere benennt, die Tiere benennen nicht Adam. Adam beherrscht die Sprache, weil er gottgleich ist. Außerdem wurde ihm der Odem des Lebens eingeblasen, was Adam über die Tiere hebt, er wurde also von Gott selbst bestimmt.
Gott ist in dieser Erzählung hauptsächlich ein Schöpfer, der nicht nur mit Worten, sondern auch mit seinen Händen schafft. Außerdem ist er auch Gärtner, der den Garten Eden pflanzt.
Im Garten Eden gibt es zahlreiche Bäume, von allen darf gegessen werden, nur nicht vom Baum der Erkenntnis. Denn sobald die Mensen davon essen, werden sie sterben. Hätten die Menschen vom Baum des Lebens gegessen, wären sie unsterblich geworden.
Als nächstes wurde die Geschlechterdifferenz thematisiert.
Was für ein Typ ist Adam? Warum wurde Eva dem Adam entnommen?
Zum ersten verfügte Adam offensichtlich über genügend Masse, dass aus ihm noch ein Mensch geformt werden konnte. Außerdem war er durch den göttlichen Atem ein Teil Gottes und hatte die Einsamkeit als Mangel. Adam war ein androgynes Wesen und hatte Eva quasi in sich („Fleisch von meinem Fleisch“). Dann wurden beide ein Paar („Sie werden ein Fleisch“).
In der platonischen Tradition werden drei Formen der Sexualitätsentstehung beschrieben.
Radschlagende Wesen waren auf der Erde und wurden von Zeus auseinander geschnitten, somit entstanden drei Paare: Frau und Frau, Mann und Mann, Frau und Mann. Diese können sich an den Schnittstellen wieder vereinigen und werden wieder ein Fleisch.
Wäre Eva aus der Rippe Adams entnommen, würde die Vereinigung nicht funktionieren. Diese funktioniert allerdings bei zwei verschiedenen Seiten bzw. Hälften, somit kann also wieder von einem Übersetzungsfehler Luthers ausgegangen werden.
Der Begriff „Fleisch“ ist als sexuelle Metapher in der gesamten Bibel enthalten und bis heute in der kirchlichen Liturgie vertreten.
Was ist als nächstes im Paradies passiert?
Die Schlange spricht zu Eva, was allerdings ungewöhnlich ist, da Schlangen nicht sprechen können. Nur in Märchen und mythischen Erzählungen können Tiere sprechen.
Die Schlange impliziert Gott als Lügner und gibt vor, besser bescheid zu wissen als Gott („Ihr werdet nicht sterben“). Die Schlange hat Recht, denn die Menschen sterben nicht, weil sie von der Frucht gegessen haben, sie sterben nicht an der Frucht.
Gott reagiert daraufhin mit Bestrafung: die Schlange muss fortan kriechen und die Menschen müssen sterben, sie kehren zu Staub zurück. Durch das Essen vom Baum der Erkenntnis konnten die Menschen gut und böse unterscheiden wie Gott. Hätten die Menschen vorher vom Baum des Lebens gegessen, wären sie unsterblich wie Gott. Der Unterschied zwischen den Menschen und Gott liegt nun in der Unsterblichkeit.
Durch das Unterscheiden von gut und böse wurden die Menschen mündig gegenüber Gott. Hannah Arendt bezeichnete dies als „sittliche Urteilskraft“, die die Menschen mit Hilfe der Schlange erlangt haben.
Vor dem Erscheinen der Schlange befanden sich Adam und Eva in einem geschützten Raum, indem sie nackt waren, aber sich nicht geschämt haben. Sie waren „Naturwesen“ mit dem Beipack des göttlichen Atems. Durch das Fehlen des Schamgefühls waren sie in gewisser Weise noch Tiere.
Die Schlange führt den Menschen dazu selbst zu entscheiden und selbstautonom und selbstbestimmt zu leben. Daraufhin macht Gott die Menschen körperlich schlechter: Adam muss schwer arbeiten und Eva wird fortan unter Schmerzen gebären und dem Mann unterworfen sein.
Diese patriarchale Struktur bildet einen Teil der Bestrafung. In Gen 1.26 – 28 wird keine Unterordnung der Frau beschrieben, dort herrscht noch ein symmetrisches Verhältnis zwischen Mann und Frau. „Nach deinem Mann hast du Verlangen und er wird über dich herrschen“ -> die Libido der Frau führt dazu, dass der Mann über sie herrschen soll. Hier wird ein asymmetrisches Verhältnis sichtbar, denn die Libido Adams wird nicht erwähnt. Das Patriarchat kann als Folge des wie „Gott Werdens“ von Adam und Eva betrachtet werden.
Parallele: Platon, Symposion