Seminar: Einführung in die exegetischen Methoden und das Arbeiten: Die Urgeschichte
Gelesene Texte: 1 Mose, Kapitel 6.1-6.22/Kapitel 7.1-7.24
Protokoll vom 09.01.2018
Protokollantin: LW
In den Versen eins bis vier beschreibt die Bibel, wie die Menschen begannen, sich zu vermehren und sich über der Erde auszubreiten. An dieser Stelle der Bibel werden sehr viele Frauen erstmalig erwähnt, ebenso wie der seit Gen 2.24 präsente Geschlechtsakt angeführt wird, der zur Zeugung von Kindern führt.
Die Frauen werden als schön beschrieben, die Gottessöhne, mit ihrer Gottesgleichheit können auch als Engel dargestellt werden, die gewaltig und mächtig sind.
Die Gottessöhne suchten sich die Frauen aus, die ihnen jeweils am besten gefielen und zeugten mit ihnen Kinder. Hier wird den Frauen keinerlei Selbstbestimmtheit zugeschrieben, denn sie wurden von den Gottessöhnen ausgewählt. Auch lässt die Beschreibung der Schönheit der Frauen auf eine Objektivierung des weiblichen Geschlechts zurückschließen. Eine Rolle, mit der sich Frauen bis heute auseinandersetzen müssen.
In Vers vier wird beschrieben, wie Gott beginnt, über seine Arbeit, die Schöpfung der Erde sowie der Menschen zu reflektieren. Er begrenzt die Lebenszeit der Menschen auf 120 Jahre. Hier wird dargestellt, dass Gott erkennt, dass der Mensch nicht vollkommen ist, dass er schwach und böse ist. Das Göttliche an den Menschen ist die Seele, der Atem, den Gott den Menschen eingehaucht hat. Dies ist eine klare Abgrenzung von Gott zu den Menschen.
Die Wesen, die aus den Gottessöhnen und den Menschentöchtern hervorgingen, werden als Geschlecht der Riesen bezeichnet, diese Riesen werden als Helden der Vorzeit anerkannt. Sie sind gewaltige Kinder, die gottesähnlich sind. Da Gott als einziger Gott angesehen werden möchte, werden die Riesen für Gott als starke Konkurrenten dargestellt. Hier werden menschliche Emotionen dargelegt. Gott scheint das Szenario zu beobachten, er findet an den Menschen keinen Gefallen. Gott empfindet Argwohn, Missmut, Zorn, aber auch Liebe, denn Gott führt keine absolute Apokalypse herbei. Vielmehr ist es der Versuch, das eigene Tun und Handeln kritisch zu hinterfragen, Fehler zu verbessern und sich in einem Schaffensprozess fortwährend zu entwickeln. Auch bei Gott wird das Herz, als Zentrum aller Emotionen verstanden.
Die Handlungen der Akteure des sechsten Kapitels spitzen sich zu, die Bibel beschreibt ein Drama, welches sich seinem Höhepunkt nähert.
In Vers sieben blickt Gott auf seine Schöpfung zurück, er hat über sein Werk reflektiert, er kritisiert seine Arbeit, seine Schöpfung und bereut die Erschaffung der Menschen, welche durch und durch schlecht und böse sind. In ihrem Herzen herrscht das Böse. Gottes Schöpfungskraft und die Krise, die er mit seinem Werk, der Erde und den Menschen, durchlebt, erinnert an große Künstler, an Schaffenskrisen, an einen geschlossenen Kreislauf von Aktion, Reflexion über das Geschaffene sowie dem kritischen Auseinandersetzen mit dem Selbst bzw. dem Selbstverhältnis. Gott ist nicht nur unzufrieden mit seiner Schöpfung, er ist auch kritisch, selbstkritisch und möchte Teile seines Werkes vernichten und es so verbessern.
Ein Szenario, welches sich durch die Biografien vieler Künstler zieht. Beispielsweise Yves Klein und Van Goch durchlitten während ihren Schaffensphasen tiefe Depressionen, zerstörten teilweise ihre eigenen Gemälde und Skulpturen und begannen von Neuem. Oft gelangten sie durch diese beständige Verbesserung und Optimierung des eigenen Werkes erst zu einem Ergebnis, das sie zufriedenstellen konnte. Dieses Verhalten lässt sich auch in der Schöpfungsgeschichte finden, es hat dort seinen Ursprung.
Nach der Reflexionsphase setzt sich Gott ein Ziel: Er will die Menschen und auch die Tiere an Land sowie in der Luft wieder ausrotten. In Vers acht ist Noah der einzige, der vor Gott bestehen kann. Gott befiehlt Noah den Bau der Arche. Hier wird die Macht Gottes wieder verstärkt zum Ausdruck gebracht, Gott hat eine Idee und einen Plan, er spricht Anordnungen aus.
Noah lebt in einer engen Verbindung zu Gott, er wird als rechtschaffender Mann beschrieben, auch hier ist die Aufmerksamkeit auf das männliche Geschlecht gelegt, auf die Arbeit eines Mannes.
Gott möchte die Erde vor den Menschen schützen, vor ihrer rohen Gewalt und ihrer grenzenlosen Verdorbenheit. Der Bau der Arche beginnt. Die Verbindung von Gott und Noah scheint so eng zu sein, dass sich Gott Noah erklärt, ihn an seinem Vorhaben teilhaben lässt. Vers zwanzig lässt auf Gottes Fürsorge zurückschließen, er befiehlt Noah von allen Tieren, der Luft und der Erde jeweils ein Paar in die Arche bringen, ebenso wie ihr Futter.
Noah führt die durch Gott befohlen Handlungen aus, er geht mit seiner Familie und den Tieren in die Arche. Er weiß über den Plan von Gott Bescheid, dass Gott es vierzig Tage und Nächte regnen lassen wird, dass Gott die Erde vernichten will, um sie dann durch die Tiere und Noahs Familie wieder besiedeln lassen zu können. Noah ist zu diesem Zeitpunkt 600 Jahre alt. Dann schließt Gott hinter Noah die Arche zu und lässt es regnen, bis alles Leben auf der Erde vernichtet war und die Arche frei auf dem Wasser schwamm.
Diese Handlung Gottes zeigt zum einen eine massive Kraft und Gewalt, die sich in der Zerstörung des eigenen Werkes ausdrückt; zum anderen lässt sie aber auch die Hoffnung Gottes erkennen: Indem Gott auf diesem Weg sein Werk ‚überarbeitet‘, gibt er die Möglichkeit für eine Besserung, für eine weitere positive Entwicklung.