Der Muslim Franck Ribéry
Es ist interessant, dass de Maizière jetzt mangelndes Nationalbewusstsein beklagt – und das nach Olympiade, Fußball-Europameisterschaft und -Weltmeisterschaft? Natürlich nur dann, wenn „unsere“ Mannschaft gut spielt, um beim Fußball zu bleiben. Das ist ganz verständlich, wer hier lebt und in einem Sportverein ist, kann sich über Erfolge der Auswahlmannschaften freuen. Aber der Ausdruck „Nationalmannschaft“ ist schwierig geworden, seit Boateng, Özil u. a. mittels Doppelpass auch Deutsche sind. Gehört der Nachbar Boateng auch zum „Wir“, das verunsichert ist?
Auch durch das Auftreten der AfD ist das „Nationale“ wieder verengt worden, „Biodeutsche“ wird heute gelegentlich gesagt. Ob der Mann de Maizière nicht auch ein bisschen biofranzösisch ist?
Dass da früher Protestanten aus Frankreich auswandern mussten („Hugenotten“), zeigt eine unfreiwillig ironische Pointe von de Maizières Einlassung.
60 % der deutschen Bevölkerung ist evangelisch oder katholisch (in allen Varianten) – und zwar nachdem die neuen Länder dazu gekommen sind, in denen antireligiöse Repression herrschte. Was hier zu beklagen ist, ist der Sachverhalt, dass Kirchen und Gemeinden zu wenig interreligiöse Kommunikation betrieben haben – schon in der Weimarer Republik gab es manche Muslim/inn/e/n, heute sind es gut 5 % der Bevölkerung.
Als Theolog/inn/en haben wir alle andere Religionen studiert – und sind auch darüber geprüft worden. Gegenwärtig wächst das Bewusstsein, dass der Religionsunterricht einen starken interreligiösen Anteil haben sollte.
Das ist unerlässlich, wenn wir dem Art. 137 der Weimarer Verfassung gerecht werden wollen:
Die Verfassung des Deutschen Reichs
Art 137(1) Es besteht keine Staatskirche.
(2) Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschluß von Religionsgesellschaften innerhalb des Reichsgebiets unterliegt keinen Beschränkungen.
(3) Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.
(4) Religionsgesellschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.
(5) Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft.
(6) Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.
(7) Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen.
(8) Soweit die Durchführung dieser Bestimmungen eine weitere Regelung erfordert, liegt diese der Landesgesetzgebung ob.
Dieser Artikel ist in Art. 140 des Grundgesetzes übernommen worden. Er liegt im Kern den Verfassungsgerichtsurteilen zu „Kopftuch“ und „Kruzifix“ zugrunde. Die Weimarer Republik und die Bundesrepublik Deutschland sind multireligiöse Staaten, die Rede, dass der „Islam nicht zu Deutschland gehöre“, greift daher die Verfassungsnormen an. Der Staat ergreift keine Partei für irgendeine „Religionsgesellschaft“, sondern ermöglicht die Organisation derselben über das Modell der „Körperschaft des öffentlichen Rechtes“. Es ist wirklich an der Zeit, dass dem Islam entsprechend seiner Struktur ermöglicht wird, dieses Modell zu übernehmen.
Wir haben zurzeit tatsächlich im Protestantismus, vereinzelt auch im Katholizismus, eine Rückkehr des Widerstands gegen den Art. 137 festzustellen, der in der Weimarer Republik herrschte.
Viele sollten sich klarmachen, dass einer der besten Fußballspieler in Deutschland Franck Ribéry, ein Muslim ist.