Im Vordergrund der Sitzung standen Verständnisprobleme und das Konzept von Charles Darwin. Wieso haben wir Maturana und Dawkins besprochen? Ging es nicht um das Verhältnis von „systemisch“ vs. „nicht-systemisch“? Der Systembegriff wird seit der Antike verwendet. In der neueren Zeit prägt der Systembegriff weithin philosophische und wissenschaftliche Begrifflichkeiten. Systeme bilden stets Elemente und Relationen (Beziehungen) aus. Die durch die Relationen bestimmte Gestalt des Systems wird als Struktur bezeichnet. Eine solche Struktur kann als mechanistisch begriffen werden, dann sind die Systeme Maschinen – wie bei Dawkins im Gefolge einer bedeutenden Tradition seit Descartes. Hier gelten sehr starke induktive oder deduktive Regeln, welche die Stabilität des Systems erzeugen – bei Dawkins erschaffen beispielsweise die Gene solche „Maschinen“. Seit der deutschen Frühromantik und dem Amerikanischen Transzendentalismus wird dieser Mechanismus deutlich kritisiert. Hier tendieren die Systeme dazu, autopoietisch zu werden, d. h., sie sind so angelegt, dass sie sich in jedem Vollzug von Elementen und Relationen im Kontext ihrer Umwelt auf sich selbst beziehen und sich selbst erzeugen. Das gilt für biotische, psychische und soziale Systeme. So auch Maturana. Dadurch werden die Betrachtungsweisen ungleich komplexer. Die System-Umwelt-Differenz ist dann nicht nach der einen oder anderen Seite ganz eindeutig und leicht festzulegen. Solche autopoietischen Systeme gelten als selbstreferenziell-geschlossen. D. h., ihr Selbstbezug bestimmt, wie Energie und Information im System selbst interpretiert bzw. bewertet sowie gestaltet werden. Als bekanntes Beispiel geht Thomas Fuchs 2008, 111, auf das Eisen ein:
„Lebewesen lassen sich zunächst als komplexe Körper oder Systeme auffassen, die sich bei fortwährendem Wechsel ihres Stoffes in ihrer Form und Struktur durch die Zeit hindurch erhalten. Dabei ist diese Erhaltung als aktive Selbstorganisation oder Autopoiese (Maturana u. Varela 1987) zu begreifen, denn die Form des Organismus lässt den Stoff nicht einfach durch sich hindurchströmen wie die Form eines Strudels das Flusswasser, sondern sie unterwirft ihn ihrem eigenen Prinzip und Zweck, bindet ihn ein und verwandelt ihn. Dabei gewinnt der Stoff neue, ‚emergente‘ Eigenschaften, die ihm nur im systemischen Zusammenhang des Organismus zukommen. So verhält sich das im Hämoglobin gebundene Eisen grundlegend anders als mineralisch vorkommendes Eisen: Es oxidiert nicht irreversibel, sondern es ist in der Lage, Sauerstoff reversibel zu binden, was eine entscheidende Voraussetzung des tierischen Energiehaushalts darstellt.“
Die Pointe liegt hier darauf, dass die „inneren“ chemischen Eigenschaften des Eisens im Hämoglobin andere sind als diejenigen des mineralischen Eisens in der Umwelt. Wie schon früher diskutiert, gilt das dann auch für sogenannte Ursache-Wirkungsbeziehungen, die nicht einfach von „außen“ nach „innen“ ununterbrochen verlaufen, sondern durch den selbstreferenziellen Interpretationsprozess des Systems entsprechend modifiziert werden. Bei einer schlichten und ganz einförmigen Gestalt der Wirklichkeit sollte so etwas nicht auftreten. Hier sollte man erwarten dürfen, dass Eisen überall die gleichen chemischen Eigenschaften hat. Aber die Wirklichkeit ist komplex und vielgestaltig. Darauf reagieren u. a. autopoetische Systemtheorien.
Nach meiner Wahrnehmung zeigte sich nochmals deutlich, dass viele Teilnehmer/innen es schwer akzeptieren können, dass Wissenschaftler/innen keineswegs ohne Bilder oder Modelle arbeiten, die nicht schlicht den beobachteten Sachverhalten entnommen sind – sondern diese Sachverhalte auf die eine oder andere Weise interpretieren, Dawkins mit dem mächtigen Bild der Maschine. In diesem Sinn gibt es keine „vorurteilsfreie Wissenschaft“. Wie u. a. im Gefolge des Pragmatismus gezeigt wurde, ist nicht nur die Erläuterung wissenschaftlicher Ergebnisse für sogenannte „Laien“ an Alltagssprache und deren Bilder gebunden. Dies gilt selbstverständlich auch für die Ausbildung wissenschaftlicher Hypothesen und Theorien.
Darwins Evolutionstheorie unterstellt einen Dreischritt:
- Die grundlegende Veränderung wird durch eine Zufallsvariation bei der Vererbung erklärt.
- Über eine lange Zeitdauer muss sich eine derartige Veränderung bewähren.
- Über den schließlichen evolutionären Erfolg entscheidet die natürliche Selektion im Existenzkampf (struggle for existence) unter Umweltbedingungen.
Wie schon im 19. Jahrhundert sehr kritisch diskutiert wurde, entstammt die Idee und das Leit-Bild für den dritten Aspekt aus der Ökonomie. Also auch hier nicht einfach eine vorurteilsfreie Betrachtung der vorhandenen Abweichungen, sondern die Konstruktion großer naturgeschichtlicher Zusammenhänge vor dem Hintergrund eines aus der Ökonomie entnommenen Bildes. Wie Malthus’ Überbevölkerungstheorie ist Darwins Punkt 3 daher auf jeden Fall eine mechanistische Theorie. Punkt 1 ist allerdings sehr viel komplexer zu sehen, hier wird der Mechanismus vielleicht durchbrochen. Pech für Darwin: Malthus’ Theorie ist zweifellos falsch, was schon zu Lebzeiten Darwins immerhin behauptet wurde (etwa: Ricardo).
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#1 Trackback vom 12. September 2010 um 13:26